Ausstellung

susanne und mirko gersak
september 2011 // stahlobjekte

Susanne und Mirko Gersak: Stahlobjekte – Wandbilder und Stelen

Bei unseren Stahlobjekten bevorzugen wir den unlegierten Stahl. Die uns interessierenden Materialeigenschaften sind seine Neigung zur Oxidation, sein spezifisches Verhalten beim Erhitzen (Deformation, Blaufärbung) sowie seine besondere Eignung zur Reflexion des Lichtes.
Das Ausbilden einer Rostschicht gehört zum Wesen des Materials, es ist die ihm innewohnende Kraft, die es zu einem „lebenden“ Material macht. Es verändert sich selbst nach den Gesetzen der Natur, wird somit selbst aktiv. Es öffnet sich zum Raum und lässt ihn eindringen. Gleichzeitig wird durch diesen Prozess die Zerstörung des „Kunstprodukts“ Stahl eingeleitet, die mit der Rückführung des Eisens in seinen ursprünglichen Zustand endet.
Unsere Arbeit beginnt mit dem Anstoßen des Oxidationsprozess. Entsprechend des dem Bild zugrunde liegenden Themas wird eine bestimmte Substanz in einer bestimmten Art und Weise auf die Oberfläche aufgetragen. Die angewendeten Verfahren um Rost in verschiedenen Färbungen und Strukturen zu erzeugen sind Resultate eigener Erfahrungen und Experimente.
Nach dem Anstoß des Prozesses treten wir nun in einen Dialog mit dem Werk ein. Das Material geht seine eigenen Wege und bringt Binnenstrukturen hervor. Sie können das Bild bereichern aber auch stören. Im letzteren Fall wird der Oxidationsvorgang in eine andere Richtung gelenkt oder gestoppt.

Parallel zum Oxidationsvorgang geschieht das Einwirken auf das Material durch Bürsten, Polieren, Kerben und Schleifen quasi mit umgekehrtem Vorzeichen. Während sich beim Oxidieren die Oberfläche selbst zum Raum öffnet, ist es bei diesem Prozess unsere Absicht, die das Material strukturiert und verändert. Die Veränderungen, die hier zu berücksichtigen sind, sind die Einwirkungen des Lichtes auf die reflektierende Oberfläche. Es muss die Schraffurrichtung oder Kerbentiefe gefunden werden, die zusammen mit dem Licht die gewünschte Synthese bildet.
Manche Bildthemen verlangen zusätzlich den Vorgang des Erhitzens, um eine bestimmte Färbung oder Deformation zu erzielen. Auch hier ist es uns wichtig, dass das Verhalten des Materials seinen inneren Gesetzen folgt und nicht von Außen aufgelegt ist, wie zum Beispiel durch Bemalen mit Farbe.

Ist das Bild fertig, wird der Zustand fixiert, um weitere Veränderungen zu vermeiden. Es geht uns somit nicht darum, den Charakter der Korrosivität oder der Vergänglichkeit zu betonen. Es soll nicht die Assoziation mit „Patina“ geweckt werden (unsere Stahlbleche sind keine objets trouvés).
Der fixierte Zustand ist das vorläufige Gleichgewicht zweier Kräfte, des „Materialwillens“ und des „Künstlerwillens“. Es geht in unseren Werken um Interaktionen, um das Zusammenwirken bzw. das Gegeneinanderwirken von natürlichen Prozessen und künstlerischer Formgebung.

Inhaltlich kreisen unsere Werke im weitesten Sinne um die Thematisierung von Kräften, die in der Natur wirken. So denkt man beispielsweise bei der Betrachtung des Bildes „Galaxie“ an ein Rotieren um einen Punkt, an ein fortwährendes Kreisen, wohingegen im Bild „Energie“ die auseinanderdriftende Kraft eines Urknalls oder einer Kernspaltung angedeutet wird.
Der Betrachter ist eingeladen, sich auf seine Weise - vor dem Hintergrund der starken Präsenz des Materials - mit den Bildthemen auseinander zu setzen.
In der modernen Kunst wurde das Gestaltungsmittel Rost immer wieder mit dem Vanitasgedanken in Verbindung gebracht.: Der auf dem Metall auftretende Rost sollte daran erinnern, dass er eines Tages das Material komplett zersetzen werde – also ein bewusstes sichtbar machen der Vergänglichkeit des Materials.
Diesem „Image“ des Rostes möchte ich einen anderen Aspekt entgegen stellen: Für mich steht die Ästhetik des Rostes im Vordergrund. Das Gestalten mit Rost ist wie ein Weg mit vielen Windungen und Verzweigungen. Man plant zwar die grobe Richtung vor, aber unterwegs muss man immer wieder mit unvorhergesehenen Umwegen rechnen. Dieses Wechselspiel mit dem Zufall – genau genommen ist es eine Zusammenarbeit mit dem Zufall – ist mein Antrieb bei der Entstehung eines Werkes.    
Die Idee für ein Bild nimmt meist in der Auseinandersetzung mit der Natur Gestalt an. Es kann eine schöne Moosstruktur im Wald sein, ein Arrangement schwarzer Äste, die sich vor dem Himmel abheben oder die Beobachtung eines Gewitters über dem Meer. Mit einer von einer realen Begebenheit abstrahierten Struktur als Idee im Kopf nähere ich mich meinem Werkstoff, dem Stahlblech und versuche diese Idee aus dem Metall hervor wachsen zu lassen. Nun beginnt das Experimentieren mit Hilfe von Wasser, Salzen und Säuren, Pinseln, Spritzen und Gießkannen. Nach einigen Tagen sind die ersten Roststrukturen sichtbar. Vielleicht ist auch etwas entstanden, was vorher nicht geplant war, was mich aber spontan fasziniert  und Assoziationen hervorruft. Andere Strukturen werden durch die genannten Mittel intensiviert. Viele Male müssen die Bleche hin und her transportiert werden. Für manche Motive ist es nötig, dass die Bleche tagsüber schnell in der Sonne trocknen, damit sofort wieder neue Flüssigkeit aufgetragen werden kann. Über Nacht müssen sie jedoch meist ins Trockene gebracht werden, da ein nächtlicher Regen vermutlich die ganze Arbeit zerstören würde. So zieht sich die Fertigstellung eines Bildes über viele Wochen hin. Wenn die Roststruktur ihre endgültige Form erreicht hat, beginnen die Arbeiten an den übrigen Partien des Bildes. Blanke Stellen müssen poliert werden, was sich zum Spezialgebiet meines Mannes Mirko Gersak entwickelt hat. Er beschäftigt sich mit den feinen Strukturen, die in das blanke Metall eingeschliffen werden, um die Oberfläche lebendig zu machen. Je nach Standpunkt und Lichtverhältnissen schimmert die Fläche anders und tritt in Konkurrenz zu den Roststrukturen. Ein Kontrast, der unsere Bilder und Stelen kennzeichnet, ein Kontrast zwischen   Glanz und Rost, kalt und warm, Menschenwerk und Naturwerk, Schein und Sein.
Die Metalloberfläche bietet schier unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten. Neben den hier beschriebenen Verfahren des Rostens und Polierens gibt es noch zahllose andere Möglichkeiten, sich in diesem Material auszudrücken: Erhitzen des Metalls, Einkerben oder Verschweißen von Metallstücken. Das Arbeiten mit Metall ist äußerst vielseitig und bietet immer wieder Möglichkeiten für neue Entdeckungen.

http://www.metallatelier-mg.de/

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