Ausstellung

karl josef striebe und marion weiß
kunst // november 10

Karl Josef Striebe Arbeitsschwerpunkte Malerei/Zeichnungen/Grafik

Es ist ein Wesensmerkmal unserer überaus vielschichtig strukturierten Zeit, dass wir die Fülle insbesondere der medial vermittelten Bildelemente, die ständig auf uns einstürzt, kaum noch bewältigen können. Erschwerend hinzu kommt noch, dass in der Alltags- und Berufsethik die Wahrnehmungsgeschwindigkeit immer weiter gesteigert wird, was letztendlich zum Gesamteindruck eines aneinandergereihten Disparaten führt. Die Welt ist in visuelle Fragmente zersplittert.
Auf diese Grundanmutung reagiert ein Künstler wie Karl Josef Striebe, indem er Bildmetaphern entwickelt, die dieses Zeitphänomen, diesen Verlust der Wahrnehmungs-Mitte, nicht nur adäquat widerspiegeln, sondern verdichtend herausarbeiten. Als Ausgangsfundus dienen ihm dabei jene Abbildungsexzerpte, die uns über Druck- und Reproverfahren erreichen: Buchseiten, Fotos, Illustrationen, Stiche, Plakate, Zeitschriften, Musterblätter, Kataloge usw. Nichts ist minderwertig, kann es doch abgeklopft werden auf inhaltliche und formalästhetische Ergiebigkeit – und die definiert allein der Künstler in seiner kombinatorischen Umwindung, die aus den Fragmenten eine neue, eine ästhetische Realität entstehen lässt.
Striebe befragt nämlich die Funde nicht auf ihren ursprünglichen Informations- und Gebrauchswert, er extrahiert vielmehr zitathaft Anspielungen und strukturelle Wesensessenzen und nutzt die Chance zur potenzierenden Überhöhung, die gleichwohl um die Möglichkeiten ironisierender Brechung oder dienender Zurücknahme weiß.
Rein fertigungstechnisch bezeichnet man diese Vorgehensweise je nach Anwendungsgrad als Kollage, Décollage oder Assemblage, und die großen kunsthistorischen Wegbereiter dieser Sehweise sind uns aus der Klassischen Moderne geläufig. Aber Striebe handhabt natürlich auch Kombinationen daraus, und das artistische Verwirrspiel wird in der jüngeren Vergangenheit noch dadurch auf die Spitze getrieben, dass er sich partielle Übermalungen leistet oder durch fotokopierte Vergrößerungen die Realitätsbezüge weiter verfremdet.
Und so entsteht denn jeweils ein regelrechter Kosmos der Bildnerischen, der die Wirklichkeit sehr wohl reflektiert, aber ihr mehr – subjektive – Gerechtigkeit widerfahren lässt, als die fragmentarisch erlebte „echte“ Wirklichkeit, die ja – wie wir alle aus eigener Erfahrung wissen – eine trügerische ist. Kunst ist para – real: Mit den Maßstäben aus Wissenschaft, Technik und Gesellschaftslehre nicht messbar oder gar „beweisbar“, aber sie erhellt über den Umweg der dialektisch eingesetzten Widerrede und bringt auf menschlich wahrnehmbares Mass, indem sie emotional sensibilisierte Erkenntnis-Schlupflöcher bereit hält.
Stützen kann sich Striebe bei diesem Unterfangen auf die Tatsache, dass die meisten Menschen auf vorgeprägte kulturhistorische Bildelemente ähnlich reagieren und auch Farben, Strukturen und Materialien nach vergleichbaren Patterns abgespeichert haben. Den neuen, vom Künstler präjudizierten Erlebniskontext muss freilich in lustvoller Aneignung jeder für sich erschließen und um das eigene Assoziations- und Kontemplationsgespinst auskleiden.

Klaus Flemming

Karl Josef Striebe

1950 *       Niederamsberg/Westf.
1971- 78    Studium an der staatlichen Kunstakademie Düsseldorf
seit 1980    Lehrtätigkeit als Kunstpädagoge

Ausstellungen

1984        Galerie Strunk-Hilgers, Mönchengladbach
1985        delta galerie (Hubertus Wunschik), Düsseldorf
1986        „Malerei und Arbeiten auf Papier“, Burg Erkelenz
               Altes Museum Mönchengladbach (mit Clemens Stupperich)                           
1987        „Hommage á M.D.“, delta galerie (Hubertus Wuschnik
1992        „Kleine Formate“, alte Weberei, Titz-Rödingen
1988        „Bain d´yeux“, Edition Fritz Böhme, Köln
1990        „Bain d´yeux (Variante)“, Theater Dortmund
1993        Galerie Strunk-Hilgers, Mönchengladbach (G)
1995        „Aus Wohnzimmern in Recklinghausen“, Kunstverein Recklinghausen (G)
               Galerie Strunk-Hilgers, Mönchengladbach
1997        „Kaleidoskop eines Künstlers“, Stadtbibliothek MG-Giesenkirchen
2006-10   „Fenster“, Sebastianusstraße 42, 41352 Korschenbroich
2010        „Fenster“, Alte Schule, 41352 Korschenbroich
2010/11    Kunstfernster-Rheydt

Marion Weiß arbeitet am Projekt „Kunstfenster“ mit.

Sie gestaltet Fenster Nr. 3 (21.11.10) und das Fenster Nr. 8 (26.12.10)



Marion Weiß

... hat lange Zeit am seidenen Faden gearbeitet.

Das Arbeiten am Spinnrad führt jedoch dazu, dass die Gedanken sich auf Wege begeben, die sich spinnend am Ende nicht bewältigen lassen. Eine ganze Weile schon stehen meine Spinnräder still, während ich Gedankengängen folge, die durch sie neuen Schwung bekamen.
Nach der Beschäftigung mit dem ["Märchensterben"], das die Brüder Grimm vermutlich unabsichtlich, jedoch sicher nicht zufällig parallel zur Industrialisierung besiegelt haben, ergaben sich Fragen nach der Bedeutung, die Technik für das Menschsein der Gegenwart hat.
Der Schwerpunkt meiner Arbeit ist Technikphilosophie - ein Feld, das keineswegs so klare Grenzen hat, wie es handlich wäre. Ich kann mich weder in der teils sehr beliebten Technikfeindlichkeit bei gleichzeitiger Abhängigkeit häuslich einrichten, noch einem blinden Fortschrittsoptimismus das Wort reden. Das Mensch-Maschine-Verhältnis ist zu komplex, als dass man es aus einer simplen Pro- oder Contra-Haltung heraus betrachten könnte, ohne sich den Blick auf Wesentliches aus der Attitüde heraus zu verstellen. Aus diesem Grund reicht mir, obwohl Philsophin (M.A.), die philosophentypisch schriftliche Ausdrucksweise häufig nicht aus und ich sehe mich gefordert, mich mehrdimensional zu artikulieren - Werkzeug zu Wirkzeugzu machen.
Seit einiger Zeit arbeite ich an diesem Themen auch im Rahmen einer philsophischen Gruppe. In diesem Kontext entstanden außer dem oben genannten u.a. auch dieser[ Text von Axel Schünemann] über das besonders feindselige Sprichwort "Mädchen, die pfeifen und Hühnern, die krähen, denen soll man beizeiten die Hälse umdrehen."

www.texne.de

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