
1952 im Oberbergischen geboren, lebt Ingo Wegerl seit 1965 in Mönchengladbach. Schon früh ist er begeistert von dem Facettenreichtum bildender Kunst, der sich die Epochen hindurch in den unterschiedlichsten Formensprachen auszudrücken vermag.
Stets darum bemüht, seine eigenen künstlerischen Ambitionen in den beruflichen Werdegang zu integrieren, folgt nach dem Schulabschluss die Ausbildung zum Lithographen. Konsequent arbeitet der Autodidakt Ingo Wegerl an der Vervollkommnung seiner künstlerisch manuellen Fähigkeiten. Er schult Technik und Auge mit Hilfe unzähliger Studien, fertigt naturalistische Zeichnungen an und erweitert so sein gestalterisches Repertoire. Die Zeichnungen beinhalten sowohl den detailgetreu exakten Abbildungscharakter, als auch insbesondere die Möglichkeiten diverser Nuancierungen; das Lineament wird genutzt, um plastische, atmosphärische sowie emotionale Akzente zu setzten. Mit der Zeichnung schafft Ingo Wegerl sich das Fundament seiner bildnerischen Kunst und entwickelt sie zu einer wesentlichen Komponente seiner Arbeiten.
In den 1970er Jahren greift Wegerl den Stil der Surrealisten, den phantastischen Realismus Wiener Schule auf - Ernst Fuchs und Rudolf Hausner seien hier lediglich namentlich erwähnt. Die Bildthemen Wegerls sind sehr individuell gewählt; anfangs dominieren düster-pessimistische, mitunter apokalyptische Vorstellungen von starkem Pathos, die uns jedoch weniger in brutaler Drastik erreichen, sondern die uns weitaus subtiler berühren, in verhaltenem Kolorit und zeichnerischer Nuancierung. Immer wieder arbeitet er mit religiösen Symbolen und Motiven, fügt sie vereinzelt episodisch in die Kompositionen ein, oder widmet ihnen die zentrale Aussage. Oftmals sind die mystisch spirituellen Bildelemente verschlüsselt dargestellt, was Raum schafft für die vielfältigen Interpretationen des Betrachters.
Bereits 1978 gelingt Ingo Wegerl der Sprung in die berufliche Unabhängigkeit; als freischaffender Künstler bestreitet er seine erste große Einzelausstellung in Mönchengladbach. Nebenher gestaltet er seit 1979 gelegentlich medizinisch wissenschaftliche Illustrationen für verschiedene Publikationen (u.a. ‘Sobotta-Becher - Atlas der Anatomie des Menschen’). Sein handwerkliches Können ermöglicht es ihm hier, mit zeichnerischem Raffinement, gleich dem Führen eines Skalpells, die spezifisch anatomischen Strukturen des Menschen aufzuschlüsseln und plastisch zu erfassen.
Zu Beginn der 1980er Jahre hellt die Farbpalette Ingo Wegerls auf, die Kompositionen werden expressiver und zugleich auch experimenteller. Mit unterschiedlichsten Techniken und Materialien sucht er die Expressivität zu steigern – sowohl in den gegenständlichen, figurativen als auch in den landschaftlichen Darstellungen. In zunehmendem Maße kombiniert Wegerl nunmehr die expressiven Formulierungen mit naturalistischen Elementen, die mit seiner zeichnerischen Virtuosität zu der ihm eigenen Bildaussage gelangen.
Die stilistische Prononcierung des darstellerisch Malerischen hat zunehmende Resonanz in der zeitgenössischen Kunstszene erfahren. Michael Triegel, ebenfalls aus dem Schrift- und Grafikbereich stammend, sei hier als einer der führenden Vertreter jener ins real Konkrete gehenden Kunstrichtung genannt, welche Reminiszenzen Alter- vorzugsweise vorbildhafter Renaissance-Meister mit der inhaltlichen Kompositionskraft des 21. Jhs. verbindet.
Auch Ingo Wegerl gelingt es, seine malerische Fähigkeit tiefgründiger Reflexion in zeitgemäßer, künstlerisch stilistischer Vielschichtigkeit zu gestalten. Ihm gelingt es, sowohl die Facetten des menschlichen Seins als auch die Facetten einer Landschaft, unseres Umfelds, unserer Umgebung aufzuspüren und sichtbar zu machen. Gleich, ob jene Seiten des menschlichen Seins oder visuelle Sinnesfreuden zur Darstellung gelangen: es ist die malerische Qualität sowie insbesondere das Empfindsame, die Ausdruckskraft seiner Arbeiten, die uns berühren.
Dr. Barbara Maiburg